Einladung zum Altstadtspaziergang: So sah es hier damals aus!

Moderner Lifestyle, Kindheitserinnerungen, Jahrhunderte alte Geschichte – das alles liegt bei einem Spaziergang durch die Rintelner Altstadt ganz nah beieinander.

„Wie es hier wohl aussah, als noch Pferd und Wagen über das Straßenpflaster ratterten“, fragt sich mancher beim Spaziergang durch die Gassen und Straßen mit den vielen sorgsam restaurierten Gebäuden im Stile der Weserrenaissance. Dann steht man plötzlich vor einem Neubau und erinnert sich: „Hier stand doch früher noch ein altes Fachwerkhaus!“

Im ersten Teil unserer Reihe „Altstadtspaziergang“ laden wir Sie zu einem kleinen historischen Foto-Rundgang im nordöstlichen Teil der Altstadt ein. Er führt durch die Mühlenstraße und Brennerstraße zum Kirchplatz. Zurück geht es durch die Enge Straße.

1 Mühlenstraße mit Ehrenmalturm

1 Unser Weg führt zunächst durch die Mühlenstraße. Sie ist benannt nach der 1980 abgebrochenen alten Wesermühle, die dort nachweisbar seit dem 14. Jahrhundert stand. Die Straße führt entlang der alten Stadtmauer zum Ehrenmalturm, der 1939 an der Stelle eines ehemaligen Festungsturmes als Kriegerehrenmal errichtet wurde. Im Innenraum, der eigentlichen Gedenkstätte, sind die Gefallenen und Vermissten der beiden Weltkriege aufgeführt. Zu finden ist hier auch die Inschrift: „Aber der Tag wird kommen; und er muß kommen; da die Tränen der Frauen stark genug sein werden / um gleich einer Flut das Feuer des Krieges für ewig zu löschen. Ina Seidel“

Am Ehrenmalturm geht es rechts ab in die zu allen Zeiten lebendige Brennerstraße. Damals wie heute prägen Handwerksbetriebe, Läden und Gastwirtschaften ihr Gesicht.

2 Herrengasse um 1960

2 Einen Blick werfen sollte man auf jeden Fall in die Herrengasse, die auf der linken Seite von der Brennerstraße abgeht. Sie hat sich kolossal verändert! Das Bild zeigt, wie sie noch um 1960 aussah. Wenige Jahre später, in 1967, fielen im Rahmen der Totalsanierung alle Häuser der Südseite der Abrissbirne zum Opfer. Der ehemals schmale Zugang zur Brennerstraße wurde durch den Abbruch eines weiteren Hauses auf das heutige Maß verbreitert. Mit der alten Herrengasse verschwand auch die ehemalige Abdeckerei, nach der die Gasse in früheren Jahren den Namen „Fillergasse“ hatte.

3 Bau- und Möbeltischlerei Westphal, 1931

3 Etwas weiter die Brennerstraße hinunter, Ecke Schmiedegasse, stand bis 2004 ein großes Fachwerkhaus, an das sich bestimmt viele Leser noch erinnern. Seit 1908 war es der Firmensitz der Bau- und Möbeltischlerei Westphal. Das Bild wurde 1931, dem Jahr des 70-jährigen Firmenjubiläums aufgenommen. Leider musste das Haus, welches im Kern aus dem 16. Jahrhundert stammte, 2004 der Moderne weichen. Hier befindet sich heutzutage eine behindertengerechte Wohnanlage mit Tiefgarage.

Welchen Hintergrund der Straßenname Brennerstraße hat, konnten die Historiker übrigens bisher noch nicht klären. Fest steht aber: Schnaps wurde hier nicht gebrannt! Jedenfalls nicht öffentlich. Hingegen mit Sicherheit gerne getrunken!

4 Hotel „Herzog von Weimar“, um 1965

4 Heute gönnt man sich einen guten Schluck bei Heinrich Meuter in der „Schildkröte“ und früher im Traditionsgasthaus „Hotel Herzog von Weimar“ in der Brennerstr. 14, welches viele Jahre vom stadtbekannten Gastwirt Ludwig Beißner geführt wurde. Das Bild entstand im Jahre 1965. Was die mittlerweile wunderschön sanierte Fassade mit den für die Weserrenaissance typischen Fächerrosetten nicht vermuten lässt: Nur sie blieb erhalten. Das Haus dahinter wurde in den 1980er Jahren abgerissen und neu gebaut.

5 Die 3 Sandsteinschweine

5 Was aber hat es mit den drei Sandsteinschweinen auf sich, die seit 1996 unübersehbar vor dem Haus Nr. 14 stehen? Sie verdanken ihre Existenz der Gruppe „Brennerstraßenkinder“, die sich 1992 aus ehemaligen Kindern der Brennerstraße gründete und deren Idee es war, mit den Schweinskulpturen an die hier abgehaltenen Schweinemärkte zu erinnern.

1612 verfügte nämlich Graf Ernst die Abhaltung von regelmäßigen Wochenmärkten in Rinteln, auf denen auch geschlachtetes Vieh angeboten wurde. Der Viehmarkt, der anfänglich auf dem Steinanger abgehalten wurde, fand später am Kollegienplatz und schließlich als Schweine- und Hammelmarkt in der Brennerstraße bis Ende der 1960er Jahre statt.

6 Brennerstr. / Kirchplatz, ca. 1910

6 Auf einen besonders stattlichen Bau aus dem Jahr 1565 trifft man, wenn man die Ecke Brennerstraße/Kirchplatz erreicht. Mit der Kaffeerösterei A. Niemeyer ist dieses Schmuckstück der Stadtgeschichte gleich in zweifacher Hinsicht eine Attraktion: Bis heute wird hier in über 120-jähriger Tradition täglich frischer Kaffee geröstet. Seit 1952 ist die Kaffeerösterei im Erdgeschoss ansässig. Von ihrer Gründung im Jahre 1897 bis zum Umzug befand sich das Traditionsunternehmen in der Weserstr. 10.

7 „Altes Museum“, um 1960

7 Lässt man nun den Blick weiter schweifen, fällt einem sofort das „Alte Museum“ auf dem Kirchplatz ins Auge – den älteren Rintelnern lange als „Modehaus Sasse“ ein Begriff. Das Foto zeigt das Haus um 1960. Seit der Renovierung in 1908 hatte es sich kaum verändert. Erst mit dem Umbau für das Modehaus 1966 kam es zu einer ersten gründlichen Umgestaltung. Nach einigen Jahren des Leerstandes wurde das Haus wieder aufwändig restauriert und zu einem Gastronomiebetrieb umgebaut. Dabei erweckte Mosquito-Betreiber Kadir Boga auch den „Weser-Postillion“ zu neuem Leben. Um 12.30 und 16.30 Uhr öffnen sich in der Nordfassade die Türen und das Kleinod lässt das schöne Weserlied erklingen.

8 Feinkostgeschäft in 1950er Jahren

8 Von seinem gemütlichen Flair zu Zeiten des Feinkostgeschäfts Karl-Heinz Sasse in den 1950er Jahren hat der Kirchplatz nichts verloren. Im Gegenteil: In den letzten Jahren haben sich rund um die St. Nikolai-Kirche viele schöne, inhabergeführte Läden angesiedelt, die zum Bummeln einladen.

9 Enge Straße in den 70er Jahren

9 Unseren historischen Foto-Rundgang schließen wir in der Enge Straße ab. Noch bis in die 1970er Jahre standen hier viele alte Häuser, die in den folgenden Jahren aber Neubauten und Parkplätzen weichen mussten. Wie das im Bild gezeigte Fachwerkhaus am Eingang zur Schmiedegasse. Windschiefe Wände, niedrige Decken und dunkle Kammern ließen die Sanierung unwirtschaftlich erscheinen. Trotz dessen gibt es in der Enge Straße noch immer viele sehenswerte Häuser mit liebevoll gestalteten Details zu entdecken. Besonders zu empfehlen ist ein Besuch des Antiquitätengeschäftes „Zeitlos“.

Wir danken Dr. Stefan Meier vom Universitäts- und Stadtmuseum Rinteln, Klosterstr. 21, für die zur Verfügung gestellten Bilder und Informationen!