Einladung zum 2. Altstadtspaziergang: So sah es hier damals aus!

In unserer Reihe „Altstadtspaziergang“ laden wir Sie wieder zu einem kleinen historischen Foto-Rundgang in der Rintelner Altstadt ein.

Schlendert man durch die Straßen und Gassen der Altstadt, lässt der Blick auf die alten Mauern und Fassaden der Häuser erahnen, wie es hier früher aussah. Überall regen die sorgsam restaurierten Gebäude im Stile der Weserrenaissance mit vielen liebevoll gestalteten Details die Fantasie an. Aber waren die Häuser in alten Zeiten auch so schön anzusehen wie heute?

Diesmal führt der Weg durch die Ritterstraße, weiter in die Krankenhäger Straße und zurück durch die Bäckerstraße. Auf der Strecke liegen längst verschwundene Gärten und Gebäude, die es schon lange  nicht mehr gibt.

1 Wir starten unseren Rundgang vor dem Haus Nr. 1. Heute betreibt hier Bärbel Koch ihr „Modeatelier Koch“, in dem sie Kleidungsstücke ändert oder neu anfertigt. Blickt man die Straße von hier aus Richtung Süden entlang, präsentiert sich ein ganz anderes Bild vor Augen als noch in den 1930er Jahren. Damals nämlich gab die Ritterstraße noch den Blick  zum Burghof frei, denn der Wall war an dieser Stelle nicht bebaut. Hier stand nur eine sorgfältig geschnittene Buchenhecke mit einem Durchgang an der Wasserkunst vorbei ins Exterfeld. Und von genau dort drohte der Stadt auch ständig Hochwassergefahr. 1937 drang nach einem sintflutartigen Sommergewitter das Wasser durch die offene Schleuse der Mühlenexter bis in die Stadt und strömte ungehindert in die Ritterstraße.

2 Schlendert man die Straße hinunter, fällt auf der linken Seite das berühmte Archivhäuschen ins Auge. Das kleine Gebäude mit seinen vielen Steinreliefs diente einst als Archivhäuschen und wie gemunkelt wird, auch als Ort romantischer Stunden. Es war Teil des ursprünglichen Münchhausenhofes und ist zusammen mit der Münchhausenscheune das einzige noch erhaltene Gebäude des alten Burgmannshofes.

Etwas weiter, auf der linken Seite, geht der Münchhausenhof ab. Hier sollte man sich unbedingt umsehen und die Fantasie schweifen lassen. Das Foto der Zehntscheuen-Rückseite zeigt, wie die Münchhausenscheune noch um 1955 aussah, bevor sie lange Jahre u. a. als Autowerkstatt diente und 1988 schließlich  zu Wohnzwecken umgebaut wurde. Das 60 Meter lange und 11 Meter breite Wirtschaftsgebäude entstand in zwei Bauabschnitten 1560 und 1598, wobei der östliche, auf dem Foto abgebildete, der ältere ist. Er geht noch auf die Zeit des berühmten Söldnerführers Hilmar von Münchhausen (1512-1573) zurück. Später diente die Scheune der Familie von Münchhausen zur Lagerung von Erntevorräten, die aus Naturalabgaben der bäuerlichen Lehnsnehmer sowie Erträgen der Eigenwirtschaft des Gutes stammten.

3 Heute kaum mehr zu erahnen ist die weitläufige Gartenidylle und der intensive Gemüseanbau, der bis ins letzte Jahrhundert das Gesicht dieses Teils der Altstadt prägte.

Der Blick vom Obergeschoss der heutigen Grundschule Süd zeigte 1954 den Garten des Münchhausenhofes in der Ritterstraße. Damals lebte noch die Familie von Platen in der vierhundertjährigen Tradition des Adelshofes. Der markante Turm aus dem späten 19. Jahrhundert, der den Eigentümern einen einzigartigen, ganz privaten Ausblick über ihre Heimatstadt erlaubte, musste einige Jahre später leider weichen. Auf dem Gelände des damaligen Gartenareals befindet sich heute das Wohngebiet „Münchhausenpark“

4 Zurück in der Ritterstraße lohnt sich unbedingt ein Blick in die romantische alte Gasse auf der rechten Seite. Die Pomeranzengasse ist eine Verbindung zur Bäckerstraße. Ihren Namen hat die Gasse einem Gewächshaus im Garten des Friesenhausenschen Adelshofs zu verdanken. Dort wuchsen im 19. Jahrhundert Südfrüchte wie Orangen und Zitronen, sogenannte „Pomeranzen“.

Der Weg führt uns weiter entlang eines großen Fachwerkbaus, dem Burghof, auf der rechten Seite und dem Merkur-Verlag links. Dieser wurde 1948 von Diplom-HandelslehrerFriedrich Hutkap, Gründer und Direktor der Kreishandelslehranstalt in Rinteln, zusammen mit seiner Frau Hildegard Hutkap gegründet. 

 

5 Wir folgen der Straße nach rechts und gelangen in die Krankenhäger Straße. Vorbei geht es auch hier an liebevoll erhaltenen Häusern, wie zum Beispiel das Haus mit der Hausnummer 11, welches mit vielen Details sorgsam restauriert wurde. Hier ist heute das Finanz-Domicil ansässig, welches sich für seine Kunde um Finanzierungen, Immobilien und Versicherungen kümmert.

Bevor wir rechts in die Bäckerstraße abbiegen, lohnen sich ein paar Schritte weiter die Straße hinunter. Wo auf der linken Seite ein Neubau mit der Hausnummer 6 steht, stand bis 1970 noch das Haus des pensionierten Briefträgers Gruppe. Das Foto entstand um 1920. Es gehörte zu den kleinen „Buden“, die hier vermutlich erst ab 1500 nach und nach errichtet wurden. Zwischen ihnen und der Stadtmauer führte lange Zeit noch ein Kontrollweg, der später, nach dem Festungsbau, zu den Hausgrundstücken hinzugenommen wurde und den Häusern einen kleinen Garten ermöglichte.

6 Zurück und vorbei am Schaumburger Beratungszentrum, wo sich alles um Weiterbildung und Beratung dreht, geht es nun in die Bäckerstraße. Sie bildete mit der Enge Straße einst die pulsierende Hauptverkehrsachse der Stadt Rinteln. Hier lebten und arbeiteten dicht an dicht Ackerbürger, Handwerker und Krämer.

Ein besonders stattlicher Renaissancebau aus dem Jahr 1571 liegt auf der linken Seite. Das Haus Nr. 21 gehörte einst einer wohlhabenden Wandmacherfamilie, die mit hochwertigen Tuchen handelte. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts, um 1890, war das Haus jedoch baufällig und stand leer. Glücklicherweise entging der vermeintliche „Schandfleck“ dem Abbruch und wurde später durch die Familie Hermann liebevoll restauriert. Heute gehört er zu den schönsten Häusern der Stadt.

7 Gleich nebenan beherbergte um 1960 das vor einigen Jahren von Grund auf sanierte Gebäude in der Bäckerstr. 20 die Gaststätte „Zum Schlesier“.

Deren Stammpublikum waren Vertriebene aus den von Polen annektierten deutschen Ostgebieten. Unter ihnen machten die Schlesier die größte Gruppe aus.

 

 

 

8 Die Bäckerstraße weiter in Richtung Norden folgend, geht links die Giebelgasse ab. Blickt man in die kleine ruhige Straße, lässt sich kaum vorstellen, dass hier in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts trotz der Enge noch viele kleine Handwerksbetriebe und Händler existierten. Die benachbarte Klosterstraße brachte ihnen Kundschaft. Die Gasse selbst war ein „verkehrsberuhigter“ Spielplatz für Kinder, wie die das Foto um 1930 zeigt.

9 Wieder zurück in der Bäckerstraße lassen sich noch weitere Gebäude mit ihren schönen Schnitzereien bewundern. So auch das Haus Nr. 5, dass nicht nur von außen attraktiv ist. Drinnen kümmern sich heute Barbara Grosser und ihre Mitarbeiter vom Team-Friseur um die Schönheit ihrer Kundinnen und Kunden.

Unser Altstadtspaziergang endet an der „Ratstreppe“ an der Rückseite des Ratskellers. Die Aufnahme von 1951 lässt noch die Überdachung der Treppe erkennen, die seit alters her der eigentliche Zugang zum Ratssaal war. Auf der Rückseite, unter der Treppe, befand sich eine Haftzelle, ein sogenannter „Gewahrsam“, in den Verdächtige vor der Gerichtsverhandlung im Rathaus inhaftiert wurden. Auf dem Foto ist noch die schöne Holztür im Portalbogen am Fuß der Treppe zu sehen. Nach dieser Reise in die Vergangenheit empfehlen wir eine wohltuende Rast im „Stadtkater“ bei gutem Speis und Trank!

Wir danken Dr. Stefan Meier vom Universitäts- und Stadtmuseum Rinteln, Klosterstr. 21, für die zur Verfügung gestellten Bilder und Informationen!