Neue stachellose Stachelbeeren: Es begann mit viel Wodka

Wer auch immer der Stachelbeere ihren Namen verpasste, er war mit Sicherheit kein Marketing-Experte. Wer will schon nach seiner negativsten Eigenschaft benannt werden? Kein Wunder, dass sich manche skeptisch fragen, ob etwas gut schmecken kann, was so stachelig heißt.

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Foto: Lubera

„Die Natur hat jedoch eine eigene Logik: Nur eine Beere, die besonders wertvoll und delikat ist, schützt sich mit Stacheln“, erklärt Markus Kobelt von Lubera. „Die Stachelbeere besitzt ein rundes, beeriges Aroma mit einem Hauch Vanille. Trotzdem weicht die Skepsis bei manchen nie ganz und sie essen nur das weiche Innere der Frucht. Dabei sind die Schale und das Fruchtfleisch besonders gesund und aromatisch.“ Der passionierte Obstzüchter will die seiner Meinung nach zu Unrecht verschmähte Beere wieder in die Gärten bringen. Sein ambitioniertes Ziel ist es, rote, grüne und gelbe Stachelbeeren zu züchten, deren Früchte saftig-aromatisch-süß schmecken und gleichzeitig sehr groß und völlig unbehaart sind. Zudem sollen die Pflanzen dornenlos, mehltauresistent, tolerant gegen Blattflecken und Triebsterben sein.

Mehr Sortenvielfalt

Die Natur hat über viele Jahrtausende ein wunderbar reichhaltiges Stachelbeer-Erbgut hervorgebracht. Es war die menschgemachte Globalisierung, die zur Ausbreitung von Krankheiten wie Mehltau und der Dezimierung der Sortenvielfalt führte. „In der Züchtung sehe ich die Chance, wieder eine größere Bandbreite zu gewinnen. Wir legen dabei unseren Schwerpunkt auf Stachelbeersorten, die sich sehr gut für die Kultivierung im Garten eignen“, so Kobelt. Die Züchtung verfolgt im Gegensatz zur Natur ein klares Ziel und bringt daher schneller neue, optimierte Sorten hervor. Schnell ist hier jedoch relativ. 20 Jahre engagiert sich Kobelt bereits in der Stachelbeerzucht und er weiß, wovon er spricht: „Allein die erste Selektion der Sämlinge auf Mehltau und Fruchtqualität dauert fünf Jahre, die nachfolgende Testung von fortgeschrittenen Selektionen auf ihre langfristige Mehltautoleranz noch mal mindestens sechs Jahre. Danach folgt die drei- bis vierjährige Vorvermehrung für die Vermarktung, in der wir fünf Pflanzen auf ein Niveau von circa 1.000 Pflanzen multiplizieren.“

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Foto: Lubera

Dornenlosigkeit

Die ersten Erfolge zeigen sich in den Easycrisp®-Stachelbeeren. ‚Lady Late‘ ist eine späte Sorte mit großen, dunkelroten Beeren. ‚Lady Sun‘ ist die erste gelbe, stachellose Stachelbeere. ‚Mister Green‘ trägt, wie der Name vermuten lässt, grüne Früchte mit glatter Oberfläche und auch der Strauch ist beinahe völlig dornenlos.

 Stachelbeeren, Zucker, Wodka

Wenn man Kobelt fragt, warum er so viel Aufwand betreibt, erzählt er gerne von seinem Besuch einiger Stachelbeer-Züchtungsstandorte in der Ukraine Anfang der 1990er Jahre. „Zum Abschied im Büro des Direktors in Kiew kamen drei Dinge auf den Tisch: eine Schale mit grünen, noch nicht ganz reifen Stachelbeeren, eine Zuckerdose und Wodka. Es war unbeschreiblich gut: ein Schluck Wodka, die Stachelbeere in Zucker getunkt und dann zugebissen und wieder und wieder. Dazwischen die Trinksprüche auf die völkerverbindende Wirkung des Gartenbaus. Nie saß ich so betrunken in einem Flugzeug. Danach aber nahm ich mir definitiv vor, Stachelbeeren zu züchten, die reif gepflückt werden können und auch ohne zusätzlichen Zucker und Wodka ein Genuss sind.“