Von Florentine Jakobsohn, Rechtsanwältin, Fachanwältin für Erbrecht, Obernkirchen
Nicht selten kommt es vor, dass Kinder den Kontakt zu ihren Eltern im Alter nicht mehr regelmäßig aufrechterhalten oder sogar ganz abbrechen lassen. Die Ursache sind nicht immer zwischenmenschliche Zerwürfnisse mit den Eltern oder auch zwischen den Kindern untereinander. Eine Folge davon ist die Enterbung.
Wir leben in einer schnelllebigen Zeit. Es kommen außenstehende Dritte hinzu, die zur Hand gehen, sich nützlich machen und den alten Herrschaften Freude und Zuwendung geben oder sogar Pflegeleistungen übernehmen. Diesen Menschen gegenüber entwickelt sich Dankbarkeit. Ein Irrglaube ist es, wenn Kinder per se davon ausgehen, dass sie von Geburt an ein Recht auf den Nachlass ihrer Eltern haben.
Der Gesetzgeber unterscheidet zwischen „gesetzlichen Erben“ und „Pflichtteilsberechtigten“. Die gesetzlichen Erben sind in Rangordnungen unterteilt, je nach Nähe des Verwandtschaftsverhältnisses. Die Pflichtteilsberechtigten hingegen werden in § 2303 BGB ausdrücklich aufgezählt. Dazu gehören die Abkömmlinge des Erblassers, seine Eltern und der Ehegatte (von 2001 bis 2017 wurden homosexuelle Lebenspartner durch das Lebenspartnerschaftsgesetz den heterosexuellen Eheleuten gleichgestellt, seither ist auch deren Eheschließung möglich).
Der Testator (die schöne weibliche Variante Testatrix ist veraltet) kann grundsätzlich jede Person enterben. Nur der Gruppe der Pflichtteilsberechtigten wird gesetzlich ein sogenanntes Mindesterbrecht garantiert. Dies ist die Hälfte des jeweiligen gesetzlichen Erbanteils.
Bei der gesetzlichen Erbfolge erben Abkömmlinge untereinander jeweils zu gleichen Teilen und neben dem länger lebenden Ehegatten (bei der gesetzlichen Zugewinngemeinschaft) teilen sie sich ½, so dass sich der Pflichtteilsanspruch auf insgesamt ¼ reduziert.
Den länger lebenden Ehegatten kann man durch eine sogenannte Strafklausel vor einer zeitigen Inanspruchnahme auf den Pflichtteil dadurch schützen, dass man bereits in einem gemeinschaftlichen Testament bei der Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen nach dem Erstversterbenden für den zweiten Erbfall die Enterbung anordnet. In diesem Fall hat ein Abkömmling nach dem Versterben des ersten Elternteils nur noch einen Pflichtteilsanspruch und beim Versterben des zweiten Elternteils auch nur noch einen Pflichtteilsanspruch.
Haben die Ehegatten einen Ehevertrag geschlossen, erhalten die Abkömmlinge neben dem länger lebenden Ehegatten (im Fall der Gütertrennung) gleichgroße Anteile (bei bis zu zwei Kindern), so dass sich deren Pflichtteilsanspruch dann auf ¼ bis 1/6 reduziert. Diese Regelung dient dazu, dass der gesetzliche Erbanspruch des überlebenden Ehegatten nicht geringer ausfallen soll als der eines Abkömmlings.
Nur für den Fall, dass ein Abkömmling dem Testator oder einem ihm nahestehenden Dritten nach dem Leben trachtet, kann ihm auch der Pflichtteilsanspruch noch entzogen werden (§ 2333 BGB).
Da die Eltern des Erblassers zu den Erben der zweiten Ordnung gehören, werden sie bei Vorhandensein von Kindern als Erben der ersten Ordnung ohnehin ausgeschlossen. Für den Fall, dass der Erblasser aber keine Kinder hat und seine Eltern noch leben, kämen bei deren Enterbung in der Tat Pflichtteilsansprüche in Betracht. Das Pflichtteilsrecht von Eltern ist jedoch höchst umstritten.
Das gesetzliche Erbrecht des Ehegatten ergibt sich aus §§ 1931, 1371 BGB. Im Fall seiner Enterbung behält er zumindest einen Pflichtteilsanspruch von 1/8. Dieses Erbrecht besteht aber auch dann noch, wenn die Eheleute beispielsweise getrennt leben. Nur wenn der Erblasser noch zu Lebzeiten die Scheidung beantragt oder dem Scheidungsantrag des länger lebenden Ehegatten zugestimmt hatte und zum Zeitpunkt seines Todes die Voraussetzungen für die Scheidung der Ehe gegeben waren, entfällt das Ehegattenerbrecht gemäß § 1933 BGB.
Der Pflichtteilsberechtigte hat bis zu drei Jahre nach Kenntnis von dem Todesfall die Möglichkeit, seinen Anspruch geltend zu machen, danach tritt Verjährung ein.
Dies kann er durch Erhebung einer Stufenklage auf Auskunft über den vorhandenen Nachlass, Abgabe der eidesstattlichen Versicherung auf diese Auskunft und schließlich Leistung tun, oder aber auch durch eine Teilklage auf den sogenannten Mindestpflichtteil. Die Teilklage wird durch Teilurteil entschieden, so dass der Pflichtteilsberechtigte noch in dem jahrelangen laufenden Prozess bereits vorzeitig einen Zahlungsanspruch durchsetzen kann. Dies kann besonders dann wichtig werden, um Finanzierungsmöglichkeiten für einen teuren Erbstreit freizusetzen, in welchem Erben Auskünfte über den Nachlass verzögern oder verweigern.




