„Betreuung – wichtiger denn je“

Von Florentine Jakobsohn, Fachanwältin für Erbrecht

Seit Jahrzehnten schon leben wir in Zeiten, in denen die sogenannte „Großfamilie“ schrumpft. Die jungen Generationen bleiben nur noch selten an ihrem Geburtsort wohnen, um eine eigene Familie zu gründen. Damit verbunden werden Familienheime im Alter verkauft und nicht mehr innerhalb der Familie übertragen. Aber auch die Geburtenzahl sinkt. Es ist nicht mehr selbstverständlich für eine Frau, sich für eigene Kinder zu entscheiden. Immer häufiger geht die Karriere vor. Dies hat zur Folge, dass Familien kleiner werden. Ältere Menschen sind daher immer häufiger auf Hilfe von außen angewiesen.

Früher sprach man von dem „Generationenvertrag“, der zunächst die Eltern zur Fürsorge gegenüber ihren Kindern verpflichtet und dann später die Kinder dazu verpflichten sollte, ihre Eltern im Alter zu unterstützen. Dies ist heute immer weniger ein Thema.

Parallel dazu steigt die Lebenserwartung in der Bevölkerung. Nicht jeder hat das Glück, bis ins hohe Alter auch körperlich gesund zu bleiben. Damit einhergehend nehmen Erkrankungen wie Demenz oder Alzheimer zu. Unsere Pflegekassen geraten zunehmend in Not. Zu den täglichen Nachrichten gehört die Unterbezahlung von Pflegepersonal, sofern man es denn überhaupt noch bekommt.

Das Berufsfeld des Betreuers gewinnt an Bedeutung, führt aber häufig zu einer Überbelastung auf Kosten des Betreuten. Die Betreuung ist in den §§ 1814 – 1881 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) geregelt und wird nach Überprüfung der Notwendigkeit von dem Betreuungsgericht angeordnet. Gemäß § 1814 Abs. 2 BGB darf eine Betreuung nicht gegen den freien Willen des Betroffenen angeordnet werden.

Die beiden großen Gebiete, in denen ein gerichtlich bestellter Betreuer eingesetzt werden kann, sind „Personenangelegenheiten“ (bspw. Postverkehr, Gesundheitssorge) und „Vermögensangelegenheiten“ (bspw. Vermögensverwaltung, Zahlungsverkehr).

Nur für den Fall, dass der Betroffene seine Angelegenheiten lediglich auf Grund einer körperlichen Krankheit oder Behinderung nicht besorgen kann und „seinen Willen nicht kundtun“ kann, wird ein Betreuer von Amts wegen bestellt (§ 1814 Abs. 4, S. 2 BGB). Die anwaltliche Praxis zeigt, dass der juristische Spielraum für diese Rechtsbegriffe viel Platz lässt.

Schutz vor der gesetzlichen Betreuung bietet nur eine Vorsorgevollmacht. Wer eine Vertrauensperson hat, die sich dazu bereit erklärt, diese verantwortungsvolle Aufgabe zu übernehmen, erspart sich einen vom Gericht eingesetzten Berufsbetreuer, der meist keine persönliche Kenntnis von dem Betroffenen hat. Diese Vorsorgevollmacht, idealer Weise verbunden mit einer Patientenverfügung, legt bevollmächtigten Vertrauenspersonen alle Instrumentarien in die Hände, sich für ihren Vollmachtgeber stark zu machen, wenn dieser aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage ist, seine Interessen durchzusetzen und seinem eigentlichen Willen Ausdruck zu verleihen. Wissenschaft und Medizin machen es möglich, einem Menschen auch gegen seinen Willen ein Leben zu ermöglichen, mit dem er nicht einverstanden ist. Zahlreiche prominente Fallbeispiele in den Medien geben Anlass, darüber nachzudenken. Aus diesem Grunde ist die individuelle Beratung für jeden Einzelfall dringend zu empfehlen.

Dabei ist von der Nutzung kostenlos zur Verfügung gestellter Formmuster abzuraten. Diese geben zwar ein Gefühl von Sicherheit, häufig wird dabei jedoch verkannt, dass für den Fall der Fälle keine Rechtssicherheit besteht. Neben der Einhaltung von Formvorschriften ist sicher zu stellen, dass über die Geschäftsfähigkeit des Vollmachtgebers keine Zweifel aufkommen können. Es zeigt sich immer wieder, wie wichtig es ist, diese Angelegenheiten möglichst frühzeitig für sich zu regeln. Unfälle und Krankheiten können jedermann jederzeit ereilen.

Die Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts 2023 führte zu mehr Selbstbestimmung und qualitativer Verbesserung der rechtlichen Betreuung. Aus diesem Grunde sollten alte Vorsorgevollmachten angepasst werden, um die neuen Möglichkeiten auszuschöpfen.