Böser Schnuller, guter Schnuller?

Von Maren Gohr, M.Sc. Logopädin und Mutter einer zweijährigen Tochter

75 bis 85 Prozent der Kinder in westlichen Ländern haben einen. „Beruhigungssauger“ – ein seit jeher populäres Hilfsmittel vieler Eltern. Er ist Bestandteil jeder Baby-Erstausstattungsliste und wird oft schon kostenfrei zu Einkäufen beigelegt oder gar verschenkt. So kommt es, dass werdenden Eltern die Überlegung zur Anschaffung eines Saugers, bereits abgenommen wird.

Dabei sollte sich genau diese Frage im Vorfeld bewusst gestellt werden: 

Woher kommt das Verlangen nach dem Sauger?

Neugeborene wollen saugen. Nicht umsonst sprechen wir in dieser Zeit von „Säug“lingen. Es ist ein natürlicher Reflex, der in erster Linie die Nahrungsaufnahme sicherstellen soll. Das Stillen des Hungers geht bei Babys ursprünglich einher mit dem Anlegen an die mütterliche Brust, was unweigerlich einhergeht mit der Befriedigung anderer Bedürfnisse, wie Körpernähe und Aufmerksamkeit. Dieses führt weitergehend zur Ausschüttung positiver Hormone bei Mutter und Kind.

Nuckeln und Saugen haben somit eine beruhigende Wirkung auf Säuglinge und können ebenfalls zu Schmerzlinderung und Förderung der Verdauung führen. Der Schnuller sollte im Ursprung eine Imitation der Brust während des Stillens darstellen und wurde für unzählige Eltern über die Jahre ein leicht einzusetzender Helfer zur Beruhigung des Nachkömmlings.

Was passiert bei Lutsch- und Sauggewohnheiten im Mund?

Beim Schnuller – aber auch Daumenlutschen – wird die Zunge an den Mundboden gepresst. Die Zunge hat so nicht den Platz ihre natürliche Lage am vorderen Gaumen einzunehmen. Kinder mit extremen Sauggewohnheiten entwickeln vermehrt ein falsches Schluckmuster. Die Zunge kann während des Schluckens durch das Objekt im Mund den Druck nur an die Frontzähne abgeben und nicht wie sonst nach oben an den Gaumen. Der ständige Sog an Finger oder Schnuller bewirkt einen stetigen Druck der Zunge auf Kiefer und Milchzähne. Zusätzlich lässt der Fremdkörper keinen natürlichen Kiefer- und Lippenschluss zu.

Diese Faktoren können Zahnfehlstellungen und Störungen des Muskelgleichgewichts im Mundbereich zur Folge haben und weitergehend zu Aussprachestörungen führen.

Empfehlungen zur möglichen Handhabung für Eltern:

Bei den Vor- und Nachteilen sind sich LogopädInnen weitgehend einig – der Beginn, die Dauer und die Intensität sind maßgebend für Folgeschäden.

Bei der Entscheidung für einen Sauger empfehlen Experten:

  • Nicht jedes Baby benötigt einen Schnuller. Warten Sie daher erst einige Lebenswochen mit der Einführung ab. Sollte ihn das Kind durch Ausspucken verweigern, drängen Sie es ihm nicht weiter auf.
  • Vor Einsatz des Schnullers sollten alle anderen Bedürfnisse, wie z.B. Körperkontakt, Ansprache, Nahrung und Hygiene abgedeckt worden sein.
  • Der Sauger ist Ihr Hilfsmittel. Lassen Sie ihn nicht in Besitz des Kindes übergehen (z.B. durch Schnullerketten). Bestimmen Sie, wann Sie Ihrem Kind den Schnuller geben und machen Sie ihn für Ihr Kind unerreichbar.
  • Geben Sie den Sauger ausschließlich zur Beruhigung und/oder zum Einschlafen. Entfernen Sie ihn im Anschluss wieder aus dem Mund.
  • Lassen Sie das Kind unter keinen Umständen mit „vollem Mund“ Brabbeln oder Sprechen.

Für die Abgewöhnung gilt: Je früher desto besser. In der Zeit zwischen dem 18. bis 30. Monat sollte das Kind vom Sauger entwöhnt werden