Das eigene Insolvenzverfahren als wirtschaftliche Option: Schuldenfrei in nur drei Jahren – jetzt mit noch höheren Freibeträgen
Von Rechtsanwalt Thomas Sack, Rinteln
Durch eine gesetzliche Neugestaltung der Insolvenzordnung ist es jedermann seit Herbst 2020 möglich, in nur drei Jahren per Gerichtsbeschluss von allen Schulden befreit zu werden, ohne dass, wie bisher, eine bestimmte Mindestsumme abgeführt werden muss.
Wenn Sie für den Abbau Ihrer Verbindlichkeiten gegenüber Ihren Gläubigern also deutlich mehr Zeit benötigen würden, sollten Sie eine Entschuldung mittels Insolvenzverfahren ernsthaft in Betracht ziehen. Was viele nicht wissen: Im eröffneten Verfahren ist in der Regel weiterhin ein ganz normales Leben möglich, weil der Gesetzgeber angemessene Pfändungsfreibeträge vorgesehen hat. So dürfen Kinderlose seit dem 01.07.2022 monatlich immerhin 1.340,00 € von ihrem Nettoeinkommen behalten. Wer zwei unterhaltsberechtigte Kinder hat, für den sind es schon 2.100,00 € netto – zuzüglich Kindergeld. Das Einkommen des Partners oder des anderen Elternteils spielt für den Freibetrag übrigens keine Rolle.
Vor dem Eröffnungsantrag beim Insolvenzgericht steht jedoch zwingend eine gründliche Bestandsaufnahme der individuellen Verschuldungssituation, denn schließlich muss jeder Antragsteller mit seiner Unterschrift die Richtigkeit und Vollständigkeit seiner Angaben gegenüber dem Gericht versichern, wobei Unrichtigkeiten, wie das grob fahrlässige Weglassen eines Gläubigers, schnell die begehrte Restschuldbefreiung kosten können. Menschen mit einer ausgeprägteren Schuldenproblematik handeln leider oft nach dem „Vogel-Strauß-Prinzip“ und führen Schreiben von Inkassobüros, Anwaltskanzleien oder gar „gelbe Briefe“ ungeöffnet dem Altpapier zu – ein rechtssicherer Insolvenzeröffnungsantrag kann dann zunächst nicht gestellt werden. Wenn auch Sie die beschriebene Verhaltensweise bei sich beobachten, sehen Sie Gläubigerpost ab sofort einfach als etwas Positives an und sagen Sie sich beim Öffnen der Umschläge: „Wieder ein paar Schulden, die sich in Luft auflösen werden!“ Sammeln Sie über mindestens sechs Monate alle an Sie gerichteten Schreiben, in denen Geld von Ihnen gefordert wird, sortiert nach Gläubigernamen in einem Ordner. Fordern Sie ergänzend über die Website der SCHUFA eine sogenannte „Datenkopie“ an (diese steht Ihnen einmal jährlich kostenlos zu), weil darin Hinweise auf weitere Gläubiger enthalten sein können.
Eine gründliche Bestandsaufnahme ist auch aus einem anderen Grund wichtig: Wenn Sie nämlich bis zu 19 Gläubiger haben und gegenwärtig keine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit ausüben bzw. Ihre Schulden bei eingestellter selbständiger Erwerbstätigkeit überschaubar sind und gegen Sie keiner Forderungen aus Arbeitsverhältnissen bestehen, ist zunächst von einer staatlich anerkannten Schuldnerberatungsstelle oder von einem Rechtsanwalt ein außergerichtlicher Schuldenbereinigungsversuch durchzuführen. Erst wenn dieser gescheitert ist, können Sie Ihren Antrag beim Insolvenzgericht einreichen. Dieser Ablauf wird umgangssprachlich „Privatinsolvenz“ genannt, wobei das Gesetz den Begriff gar nicht kennt, sondern vom „Verbraucherinsolvenzverfahren“ spricht. Haben Sie 20 oder mehr Gläubiger oder sind bei Ihnen die sonstigen Voraussetzungen der Verbraucherinsolvenz nicht gegeben, so steht Ihnen das sogenannte „Regelinsolvenzverfahren“ offen, wobei der Versuch einer außergerichtlichen Schuldenregulierung dann entfällt und das gerichtliche Verfahren sofort beginnen kann.
Beide Verfahrensarten gliedern sich nach Eröffnung durch das Insolvenzgericht in das eigentliche Insolvenzverfahren, das oft nur wenige Monate dauert und der Verwertung der Insolvenzmasse durch einen gerichtlich bestellten Insolvenzverwalter dient, und das anschließende Restschuldbefreiungsverfahren (auch „Wohlverhaltensphase“ genannt), das drei Jahre nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens endet, wobei Sie in diesem Abschnitt lediglich noch den pfändbaren Teil Ihres Einkommen abführen müssen, aber bereits wieder Vermögen aufbauen können. Nach Ablauf der drei Jahre entscheidet das Gericht über Ihre Restschuldbefreiung.
Für Sie als Schuldner gibt es natürlich bestimmte „Spielregeln“. Diese ergeben sich aus den §§ 287b und 295 der Insolvenzordnung. Im Wesentlichen erwartet man von Ihnen während der gesamten drei Jahre eine angemessene Erwerbstätigkeit. Sind Sie aber ungelernt, krank, erwerbsunfähig oder haben Sie das Rentenalter bereits erreicht, so sind die Erwartungen an Ihre Erwerbsbemühungen selbstverständlich entsprechend herabgesetzt.
Damit auch in Ihrem Fall alles glatt läuft und Sie am Ende Ihre Schulden für immer los sind, sollten Sie sich schon während Ihrer Bestandsaufnahme vertrauensvoll an einen im Insolvenzrecht versierten Rechtsanwalt wenden. Dieser kann Ihnen im Vorfeld der gerichtlichen Antragstellung legale Möglichkeiten zum Erhalt von Grund- bzw. Wohneigentum, dem eigenen Kraftfahrzeug und sonstigen Vermögenswerten aufzeigen sowie Sie durch das gesamte Verfahren begleiten und vor dem einen oder anderen „Fallstrick“ bewahren. Das Geld für die anwaltliche Beratung und Vertretung ist vor dem Hintergrund des wirtschaftlichen Vorteils eines erfolgreich durchlaufenen Insolvenzverfahrens sicherlich gut angelegt.