Von Thomas Vollbrecht, Notar, Fachanwalt für Familienrecht, Fachanwalt für Verkehrsrecht, Vereinsvorsitzender Haus & Grund, Rinteln
Das geerbte Familienheim bleibt in der Regel erbschaftsteuerfrei, wenn man die Immobilie selbst bewohnt oder zumindest zeitnah einzieht. Das gilt zumindest, wenn das Familienheim normal groß ist. Steuerbefreiungen sind aber auch möglich, wenn man die direkt angrenzende Wohnung der Eltern erbt und damit dann die eigene Wohnung vergrößert.
Dies teilt jetzt Haus & Grund Rinteln unter Berufung auf ein Urteil des Bundesfinanzhofs vom 06.05.2021 (Az.: II R 46/19) mit. Befreiung von der Erbschaftssteuer kann nur erwarten, wer innerhalb von 6 Monaten selbst einzieht oder weiter nutzt. Daran ändert sich in aller Regel nichts, wenn vor dem Einzug Sanierungsarbeiten anfallen.
Die 6-Monats-Regel gilt jedoch nicht in jedem Fall. Die Leitsätze des Bundesfinanzhofes lauten:
- Erwirbt ein Steuerpflichtiger von Todes wegen eine Wohnung, die an seine selbst genutzte Wohnung angrenzt, kann dieser Erwerb als Familienheim steuerbegünstigt sein, wenn die hinzuerworbene Wohnung unverzüglich zur Selbstnutzung bestimmt ist.
- Der wegen der Beseitigung eines gravierenden Mangels eintretende Zeitverzug steht der unverzüglichen Selbstnutzung nicht entgegen, wenn der Erwerber den Baufortschritt angemessen fördert.
In dem Fall des Bundesfinanzhofs ging es um eine Doppelhaushälfte, die der Sohn von seinem Vater geerbt hatte. Die andere Hälfte gehörte dem Sohn bereits. Mit dem Anfall der Erbschaft vergrößerte der Sohn sein Haus, machte also aus zwei Häusern eines. Bevor er einziehen konnte, waren in dem Haus des Vaters noch Sanierungen fällig.
Das Finanzamt berief sich darauf, der Sohn habe die Frist zur Aufnahme der Nutzung verpasst; der Sohn konterte damit, er habe die Handwerker unverzüglich beauftragt und den Baufortschritt auch gefördert. Wegen starker Auftragslage und wegen Materialmangels habe er keine früheren Handwerkertermine bekommen können.
Das Finanzamt wollte das nicht anerkennen und meinte, der Erbe habe die Doppelhaushälfte erst ca. 34 Monate nach dem Erbfall selbst genutzt. Er habe nicht überzeugend dargelegt, dass er die Verzögerung nicht zu vertreten habe. Bei den Sanierungsmaßnahmen in der Wohnung müssten solche der Gebäudeinstandhaltung und solche der Gebäudemodernisierung unterschieden werden. Im Streitfall hätten Letztere (z.B. Solaranlagen, Netzwerktechnik, Entfernung Glasbausteine) einen wesentlichen Anteil daran gehabt, dass der Kläger erst mit großer Verzögerung nach dem Erbfall in die Doppelhaushälfte eingezogen sei. Der Bundesfinanzhof belehrte eines Besseren und pfiff die Steuerbehörde zurück.
In seinen Entscheidungsgründen führte er aus, dass ein Erwerber zur Erlangung der Steuerbefreiung für ein Familienheim innerhalb einer angemessenen Zeit nach dem Erbfall die Absicht zur Selbstnutzung des Hauses fassen und tatsächlich umsetzen muss. Angemessen ist regelmäßig ein Zeitraum von sechs Monaten nach dem Erbfall. Eine zeitliche Verzögerung des Einzugs aufgrund von Renovierungsarbeiten ist dem Erwerber aber nicht anzulasten, wenn er die Arbeiten unverzüglich in Auftrag gibt, die beauftragten Handwerker sie aber aus Gründen, die der Erwerber nicht zu vertreten hat, z.B. wegen einer hohen Auftragslage, nicht rechtzeitig ausführen können.
Ein Hinweis zum guten Schluss: Ein Familienheim kann in der Regel bis zu einer Wohnfläche von 200 m² steuerfrei vererbt werden. Entscheidend ist nur die durch Erbschaft hinzu gewonnene Fläche, nicht die hinterher erreichte Gesamtfläche.