Irrtümer im Arbeitsrecht

von Michael Box, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht

Es ist nicht immer leicht, die arbeitsrechtlichen Regelungen zu durchschauen. Neben den gesetzlichen Vorschriften sind nämlich auch die tarifl ichen Bestimmungen, Betriebsvereinbarungen und die arbeitsvertraglichen Regelungen zu beachten. Diese Undurchschaubarkeit ist vermutlich der Grund, warum sich auch zu einigen „klassischen“ Fragestellungen des Arbeitsrechts zahlreiche populäre und teilweise sehr hartnäckige Irrtümer halten:

Irrtum Nummer 1: Ein Arbeitsverhältnis benötigt einen schriftlichen Arbeitsvertrag als Grundlage. Falsch. Aus gesetzlicher Sicht braucht ein Arbeitsvertrag keine bestimmte Form. Er kann mündlich, schriftlich, durch Handschlag oder auch durch die Arbeitsaufnahme abgeschlossen werden. Lediglich für den Fall, dass die Beschäftigung befristet sein soll, muss diese Befristung schriftlich fixiert werden. Achtung: Verträge zur Berufsausbildung müssen immer schriftlich zustande kommen.

Irrtum Nummer 2: Eine Kündigung des Arbeitsvertrages kann mündlich erfolgen. Falsch. Sowohl für den Arbeitgeber als auch den Arbeitnehmer gilt, dass die Kündigung schriftlich zu erfolgen hat. Eine mündliche Kündigung ist unwirksam. Auch eine Beendigung im Einvernehmen (z.B. in einem Aufhebungsvertrag) muss schriftlich fixiert werden.

Irrtum Nummer 3: Bei der Ausübung eines Minijobs entfallen die Ansprüche auf Urlaub oder Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Auch diese Aussage ist falsch. Es gibt kein Sonderrecht für Minijobber. Da Minijobber Teilzeitbeschäftigte sind, arbeiten sie unter denselben Grundsätzen und Vorschriften wie andere Teilzeitbeschäftigte. Der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub und die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall sowie an Feiertagen besteht auch für Minijobber.

Irrtum Nummer 4: Eine Abmahnung vor der fristlosen Kündigung ist verpflichtend. Hat der Arbeitnehmer sich einen besonders schweren Verstoß gegen den Arbeitsvertrag geleistet, wird regelmäßig keine vorherige Abmahnung benötigt. Ein besonders schwerer Verstoß ist z.B.:

• eine strafbare Handlung zum Nachteil des Arbeitgebers (Diebstahl, Betrug etc.),

• die missbräuchliche Verwendung von Kontrollgeräten, wie z.B., Zeiterfassungssystemen • eine vorgetäuschte Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers.

Irrtum Nummer 5: Ist der Urlaub noch nicht gänzlich genommen, kann er im Folgejahr ersatzweise angetreten werden. Grundsätzlich gilt, dass der Urlaub bis zum Jahresende genommen werden muss und ansonsten ersatzlos verfällt. Ausnahmen dafür können Situationen sein, in denen man aus betrieblichen oder persönlichen Gründen keinen Urlaub nehmen kann. Gründe dafür wären zum Beispiel ein außergewöhnlich hohes Arbeitsaufkommen oder die Überschneidung mit den Urlaubswünschen anderer Kollegen. Auch in diesen Fällen ist regelmäßig die Übertragung des alten Urlaubes nur bis zum 31.03. des Folgejahres möglich.

Irrtum Nummer 6: Erfolgt die Kündigung durch den Arbeitnehmer selbst, erhält dieser für eine bestimmte Zeitspanne kein Arbeitslosengeld durch die Arbeitsagentur. Erbringt der Arbeitnehmer einen Nachweis darüber, dass seine Eigenkündigung aus einem wichtigen Grund erfolgen musste, kann die Sperrfrist verhindert werden. Wichtige Gründe wären hierfür beispielsweise ein Jobwechsel, der nicht wie geplant geklappt hat oder gesundheitliche und psychische Gründe. Andernfalls muss der Arbeitnehmer bei einer Eigenkündigung mit einer Sperrfrist von bis zu zwölf Wochen rechnen.

Irrtum Nummer 7: Auf eine betriebsbedingte Kündigung hat immer eine Abfindung zu folgen. Gesetzlich gibt es keine Verpflichtung, dass der Arbeitgeber eine Abfindung zahlen muss. Auch dann nicht, wenn bei der Kündigung eines anderen Arbeitnehmers die Zahlung einer Abfindung erfolgte. Oftmals kann jedoch im Rahmen eines Kündigungsschutzverfahrens vor dem Arbeitsgericht eine Abfindungsregelung ausgehandelt werden. Irrtum Nummer 8: Während einer Erkrankung können Arbeitnehmer nicht gekündigt werden. Viele Arbeitnehmer meinen, dass sie während der Zeit, in der sie ihrem Arbeitgeber ein ärztliches Attest über ihre Erkrankung vorlegen können, in einer „arbeitsrechtlichen Schutzblase“ leben. Tatsache ist aber, dass eine Erkrankung kein gesetzliches Kündigungsverbot auslöst. Grundsätzlich müssen Arbeitnehmer also damit rechnen, auch während der Zeit, in der sie krank zuhause sind, die Kündigung ihres Arbeitgebers zugestellt zu bekommen.