Ausschlussklauseln, die das Mindestlohngesetz nicht ausnehmen, sind unwirksam
von Rechtsanwalt, Mediator und Dozent Rolf H. Stich
Mit Urteil vom 18.09.2018 (Az. 9 AZR 162 / 18) hat das Bundesarbeitsgericht eine folgenschwere Entscheidung getroffen, die auf eine Vielzahl von Arbeitsverträgen zutrifft.
Hintergrund ist die Anwendbarkeit des Mindestlohngesetzes (MiLoG).
In einer Vielzahl von Arbeitsverträgen finden sich Vereinbarungen über so genannte Ausschlussklauseln. Ausschlussklauseln bedeuten, dass etwaige Ansprüche entgegen der regelmäßig 3-jährigen Verjährung bereits nach einem geringeren Zeitraum nicht mehr geltend gemacht werden können. Regelmäßig handelt es sich hierbei um eine Vereinbarung, die vorsieht, dass Ansprüche nur innerhalb von 3 Monaten geltend gemacht werden können. Derartige Vereinbarungen sollen für kurzfristige Rechtssicherheit bei allen Beteiligten sorgen.
Auch in dem vorliegenden Fall, über den das Bundesarbeitsgericht zu entscheiden hatte, war eine derartige Klausel enthalten. In dieser war geregelt, dass alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen sollen, wenn sie nicht innerhalb von 3 Monaten nach Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich geltend gemacht worden seien.
Nachdem im vorliegenden Fall der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis gekündigt hatte, hatten die Parteien in einem nachfolgenden Kündigungsrechtsstreit einen Vergleich geschlossen, nach dem das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 15.08.2016 endete. Des Weiteren wurde vereinbart, dass das Arbeitsverhältnis bis zum 15.09.2016 abgerechnet werden sollte, was der Arbeitgeber auch tat. Allerdings ohne eine etwaige Urlaubsabgeltung für nicht genommenen Urlaub zu berücksichtigen.
Im Januar 2017 erhob der ehemalige Arbeitnehmer Klage auf Abrechnung und Auszahlung der Urlaubsabgeltung. Der Arbeitgeber berief sich darauf, dass der Urlaubsabgeltungsanspruch verfallen sei, weil er vom ehemaligen Arbeitnehmer nicht rechtzeitig innerhalb der Ausschlussfrist geltend gemacht worden sei.
Das zuständige Arbeitsgericht Hamburg hatte der Klage stattgegeben, das Landesarbeitsgericht hatte in der daraufhin durchgeführten Berufung die Klage abgewiesen.
Hintergrund der unterschiedlichen Entscheidungen war die Einführung des Mindestlohngesetzes mit Wirkung zum 01.01.2015. Das MiLoG führt aus, dass Vereinbarungen, die den Anspruch auf Mindestlohn unterschreiten oder seine Geltendmachung beschränken oder ausschließen, insoweit unwirksam sind – § 3 S. 1 Mindestlohngesetz.
Bisher ging ein Großteil der Juristen davon aus, dass die Ausschlussklauseln aus diesem Grund nicht auf das Mindestlohngesetz anwendbar sind. Das Bundesarbeitsgericht hat nunmehr jedoch (umgekehrt) entschieden, dass die Ausschlussklauseln, die eine Einschränkung aller beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis betreffen und damit auch den von § 1 MiLoG garantierten Mindestlohn erfassen, gegen das Transparenzgebot nach § 307 Abs. 1 Satz BGB verstoßen und somit insgesamt unwirksam sind.
Vorliegend betraf dies somit auch den Anspruch des Arbeitnehmers auf Urlaubsabgeltung.
Fazit von Rechtsanwalt Rolf H. Stich:
Die Entscheidung kam für einen Großteil der Juristen überraschend und dürfte eine Vielzahl von arbeitsvertraglichen Ausschlussklauseln betreffen, die nach dem 31.12.2014 abgeschlossen wurden, da in diesen Klauseln das Mindestlohngesetz häufig nicht ausdrücklich ausgenommen wurde. Dies bedeutet sowohl für Arbeitgeber als auch für Arbeitnehmer, dass Ansprüche aus derartigen Verträgen entsprechend der Regelverjährung 3 Jahre lang geltend gemacht werden können.