Der Mythos über das große Blutbild

Von Julia Thieme, Heilpraktikerin und Kinderkrankenschwester

„Ich habe zu meiner Ärztin gesagt, ich hätte gerne ein großes Blutbild und sie hat gar nicht alles abgenommen!“ Fast jeden Tag begegnet mir diese Äußerung in meinem Praxisalltag. Aber es liegt nicht an der Ärztin, sondern am Vokabular meiner Patientin. Deshalb möchte ich hier die Gelegenheit nutzen, mit dem Mythos über das große Blutbild aufzuräumen und einige medizinische Blutwerte zu erklären.

Jedem Gesunden steht ab 35 Jahren alle 3 Jahre ein allgemeiner, körperlicher Vorsorge-Check-Up bei der Hausärztin zu, der von der gesetzlichen und privaten Krankenkasse übernommen wird. In diesem Rahmen wird i.d.R. ein kurzes Vorgespräch (lat. Anamnese) geführt, um Ihre medizinische Vorgeschichte und Ihren Impfschutz zu erheben. Es folgt eine körperliche Untersuchung mit Blutdruck- und Pulsmessung und Erhebung von Größe und Gewicht. Außerdem gehören ein EKG (Aufzeichnung der Herztätigkeit), eine Urinuntersuchung und eine umfassende Blutuntersuchung zum Standard. Oft wird ein Ultraschall der Bauchorgane gemacht.

Eine allgemeine, große Blutuntersuchung umfasst neben dem kleinen Blutbild weitere Werte aus dem Blutserum, die eine Aussage zur Organgesundheit liefern. Ihre Ärztin überprüft Ihr Blutfettprofil (Cholesterinwerte HDL und LDL, Triglyceride) und Ihren Nüchternblutzucker. Nach individueller Vorgeschichte können zusätzlich Nierenwerte (Harnstoff, Krea, GFR), Schilddrüsenwerte (TSH, fT3, fT4), ein Langzeitzuckerwert (HbA1c) oder spezifische Entzündungswerte wie CRP oder BKS notwendig sein.

Mit dem kleinen Blutbild wird die Zahl und Gestalt Ihrer Blutzellen sowie die Konzentration des roten Blutfarbstoffes Hämoglobin bestimmt. Auch eine grobe Aussage zur Versorgung mit Eisen, Folsäure und Vitamin B12 ist möglich. Bei der Anforderung eines großen Blutbildes untersucht das Labor neben dem kleinen Blutbild nur noch die weißen Blutkörperchen nach ihren zellulären Anteilen. Dies ist wichtig bei bösartigen Bluterkrankungen, Blutarmut oder schweren Allgemeinerkrankungen.

Und hier steckt der Teufel im Detail: Meine Patientin wollte eine große, umfassende Blutentnahme und nicht ein großes Blutbild. Meistens kennen die Ärztinnen die falsche Verwendung dieser Bezeichnung und veranlassen eine große Blutentnahme. Wenn Sie wortgetreu handeln ist es kostengünstiger, denn ein großes Blutbild kostet ca. 5,40 €, eine große Blutentnahme ca. 68 – 100 €.

Natürlich gibt es noch mehr spezielle Blutwerte. Aber es ist nicht sinnvoll bei jedem Check-Up immer alle möglichen Werte abzunehmen, da diese nicht aussagekräftiger und vor allem nicht zielführender sind. Vertrauen Sie Ihrer Ärztin, bereiten Sie sich gut auf das Gespräch vor, indem Sie Ihre Beschwerden ggf. vorher stichwortartig aufschreiben, damit Sie nichts vergessen.

Darüber hinaus ist es auch möglich, dass Ihre Ärztin weitere von Ihnen gewünschte Blutwerte anfordert, die nicht als zwingend gesundheitsrelevant in der evidenzbasierten Medizin angesehen werden. Diese müssen Sie dann allerdings selbst bezahlen. Dazu gehört z.B. die Bestimmung des Vitamin-D-Spiegels. Dieser kann nur bei einer entsprechenden Diagnose von der Krankenkasse übernommen werden.

Nutzen Sie den Check-Up und sprechen Sie in der gleichen Sprache wie Ihre Ärztin!

Anmerkung: Für eine bessere Lesbarkeit wurde die feminine Form der Person gewählt, es sind aber alle Geschlechter von der Autorin gemeint.