EU will Privatinsolvenz verkürzen

Von Rechtsanwalt Heinz Krüger

Unter diesem Titel ging kürzlich ein Artikel durch die Presse, wonach die EU per Richtlinie voraussichtlich ab Sommer 2019 vorsieht, dass Schuldner bereits nach drei Jahren im Rahmen eines Verbraucherinsolvenzverfahrens die Restschuldbefreiung erlangen können. Dies wäre dann zeitnah in deutsches Recht umzusetzen.

Bislang sieht das Insolvenzrecht vor, dass regulär die Restschuldbefreiung nach 6 Jahren erlangt werden kann. Ausnahmsweise kann die sog. Wohlverhaltensperiode zur Restschuldbefreiung nach 5 Jahren oder nach 3 Jahren führen, wenn der Schuldner innerhalb von 3 Jahren 35 % seiner Schulden sowie die Kosten des Verfahrens für Gericht und Insolvenzverwalter zahlt, oder nach 5 Jahren zumindest die Kosten für Gericht und Insolvenzverwalter gezahlt sind.

Nach diesem Artikel wird dies darauf gestützt, dass, nach Daten der Wirtschaftsberatung Crif Bürgel, lediglich 5,8 % der Betroffenen dies erreichen. Damit würden sich die Hoffnungen auf einen schnelleren Neustart für viele nicht erfüllen. Ferner würde eine Restschuldbefreiung nach 3 Jahren, und wie von Experten gefordert, ganz ohne Quote, auch die Justiz entlasten.

Nach meiner langjährigen Praxis als Rechtsanwalt im Bereich Insolvenzrecht und Schuldnerberatung schätze ich dies als sehr einseitig gedacht ein.

Einzubeziehen ist, dass die Restschuldbefreiung dem Schuldner einen schuldenfreien Neustart ermöglicht, indem dem Gläubiger sein Zahlungsanspruch genommen wird. Die Laufzeit dient somit einem ausgewogenen Verhältnis zwischen der Restschuldbefreiung des Schuldners und dem Zahlungsanspruch des Gläubigers. Nicht selten fallen z.B. Kleinunternehmer, deren Zahlungsansprüche durch Restschuldbefreiungen genommen werden, selbst in die Insolvenz.

Zu berücksichtigen ist ferner, dass die besagten 5,8 % lediglich die Fälle umfassen, in denen sich bei dem Schuldner nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens die persönliche und wirtschaftliche Situation verändert, sei es durch höheres Einkommen, oder dadurch, dass ihm Gelder anderweitig zufließen und er sich damit aus der Insolvenz „freikaufen“ kann. In den Fällen, in denen bereits vor Insolvenzeröffnung feststeht, dass der Schuldner in 3 Jahren 35 % der Schulden zahlen kann, wird es regelmäßig gar nicht erst zur Insolvenz kommen. Eine Einigung zu erreichen und eine Insolvenz zu vermeiden ist stets das oberste Gebot. Bei einer Einigung über eine Laufzeit von 6 Jahren bekäme der Gläubiger rund 70 % seiner Forderung. Erfahrungsgemäß zeigen sich Gläubiger, bei der Aussicht, 70 % ihrer Forderung zu erhalten, durchaus einigungsbereit. Zudem entspricht eine reguläre Laufzeit von 6 Jahren auch regelmäßig der durchschnittlichen Laufzeit von Finanzierungen.

Eine Verkürzung der regulären Laufzeit auf 3 Jahre (mit oder ohne Quote) hätte zur Folge, dass Gläubiger einer Einigung erfahrungsgemäß erst zustimmen werden, wenn 70 % der Forderungen bereits nach 3 Jahren erreicht werden. Dies würde für den Schuldner zu weitaus höheren monatlichen finanziellen Belastungen führen und kaum umzusetzen sein. Hierdurch gäbe es dann weniger erfolgreiche Einigungen. Die Zahl der Insolvenzen würde steigen und damit im Widerspruch zu dem Grundsatz des Insolvenzrechts stehen, wonach eine Insolvenz nur dann beantragt werden soll, wenn sie durch außergerichtliche Einigung mit den Gläubigern nicht vermieden werden kann. Eine Entlastung der Justiz ist hierdurch ebenfalls nicht zu erreichen.

Damit wird dem Schuldner die Möglichkeit genommen, sich mit Würde und Anstand das Gefühl zu erwerben, es einzig durch Einigung mit den Gläubigern und Durchstehen eines mitunter harten Vergleichs aus eigenen Kräften geschafft zu haben, eine Verbraucherinsolvenz zu vermeiden.